Interim-Management – nicht nur eine Vertrauensfrage

Von Dr. Reinhard Schützdeller

Vertrauen ist bei Personaldienstleistungen höchstes Gebot. Das gilt uneingeschränkt auch für das  Interim-Management. Bei aller Effizienz in der Bearbeitung von Interim-Anfragen muss gewährleistet sein, dass das Vertrauen des Auftraggebers in die Sorgfalt seines Interim Management-Providers ebenso gerechtfertigt ist wie das des Interim-Managers.

1.      Vertrauensvorschuss des Auftraggebers

Im Gegensatz zum klassischen Personalgeschäft sprechen wir im Interim-Management nicht von Monaten oder Quartalen, sondern von Tagen oder wenigen Wochen zwischen erster Präsentation der Kandidatenprofile und erstem Einsatztag. Den Weg zum Interim Management-Provider finden die Auftraggeber in der Regel erst, wenn sie alle anderen Möglichkeiten bereits ausgeschöpft haben und die Zeit knapp wird. Für mehrstufige Vorstellungsrunden bleibt dann häufig keine Zeit mehr.

Daher sollte der Auftraggeber die Gewissheit haben müssen, dass der Provider nur Interim-Manager vorschlagen wird,

·        die er kennt und vielleicht sogar über mehrere Einsätze begleitet hat

·        deren fachliche, kulturelle und soziale Kompetenz er geprüft hat

·        deren Referenzen bestätigt wurden

·        die die angefragte Aufgabe verlässlich ausfüllen können

·        die aktuell tatsächlich verfügbar sind

·        und deren Tagessatz in korrektem Verhältnis zur Aufgabe steht.

Provider suchen Interim-Manager „auf Vorrat“ aus und führen in aller Regel mit jedem Bewerber, der sich um die Aufnahme in die Datenbank bewirbt, sorgfältig dokumentierte Bewerbungsinterviews. Durch diese präventive Auswahl wird im späteren Auswahl-Prozess viel Zeit gewonnen. Provider haben selbst ein großes Interesse an einer sorgfältigen Selektion, denn ein von ihnen eingesetzter Interim-Manager könnte bei einem Misslingen des Einsatzes nicht nur ihre eigene Reputation beschädigen. Hinzu kommt, dass der Provider als direkter Vertragspartner und Auftragnehmer für den von ihm eingesetzten Interim-Manager haftet.

Besondere Sorgfalt ist angebracht bei Auslandseinsätzen. Vor Ort agiert der Interim-Manager meist mit weitreichenden Befugnissen und fernab jeder unmittelbaren Kontrolle durch die heimische Zentrale, und das vom ersten Tag an. Eine Probezeit gibt es nicht. Für diese Aufgaben kommen nur Interim-Manager in Frage, die mit Referenzen belegen können, dass sie bei ähnlichen Aufträgen zur Zufriedenheit ihrer Auftraggeber agiert haben. Das Vertrauen in ihre Integrität und Fähigkeit muss von Anfang an bestehen, sonst droht ein Fehlstart.

Bei der Höhe des Tagessatzes sind Auftraggeber darauf angewiesen, dass der Provider seine Provision mit Augenmaß festgesetzt und die Höhe des Honorars für den Kandidaten im seinem Sinne vorverhandelt hat.

2.      Vertrauensvorschuss des Interim-Managers

Der Interim-Manager muss darauf vertrauen können, dass der Provider nicht nur die Eckdaten einer Anfrage systematisch hinterfragt hat:

–         Funktionsbeschreibung

–         Starttermin und Ort des Einsatzes

–         voraussichtliche Anzahl der Einsatztage

–         Umfang der Verantwortung

Genauso wichtig ist, dass auch die folgenden Fragen geklärt sind:

–         Welche Kriterien sind für die Auswahl des Interim-Managers unverzichtbar?

–         Was erwartet der Kunde vom Einsatz des Interim Managers? Gibt es eine „hidden agenda“?

–         Welche Situation wird der Interim-Manager vor Ort antreffen?

–         An wen wird der Interim-Manager berichten?

–         Wer berichtet an den Interim-Manager?

–         Mit welchen Vollmachten soll der Interim-Manager ausgestattet sein?

Je detaillierter die Informationen im Vorfeld sind, desto besser kann er entscheiden, ob er sich die Aufgabe zutraut, ob er sie will und wie er sich auf die Präsentation beim Kunden vorbereiten soll.

Der Interim-Manager kennt nur seinen (Einsatz-) Vertrag mit dem Provider, aber nicht den Vertrag des Providers mit dem Auftraggeber. Aus dieser Unkenntnis heraus erwachsen gelegentlich asymmetrische Verträge, in denen dem Interim-Manager möglicherweise andere Rechte und Pflichten zugestanden werden als dem Auftraggeber. Der Interim-Manager wird sich darauf verlassen, dass sein Provider für Chancengleichheit gesorgt hat, z.B. in der Frage der Kündigungszeiten.

Der Interim-Manager kennt – zumindest zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses – nicht den Tagessatz, den der Auftraggeber an den Provider zahlt. Er hofft, dass sein Provider sein eigenes Honorar nicht am unteren Limit angesetzt hat und die Vermittlungsprovision dafür etwas großzügiger ausfallen ließ.

 3.      Vertrauensvorschuss des Providers

Dem Provider wird nichts anderes übrig bleiben als darauf zu vertrauen, dass die an ihn gerichtete Anfrage nicht breit gestreut wurde. Jede verlorene Anfrage verursacht dieselben Kosten wie eine gewonnene. Da für den Auftraggeber eine Anfrage unverbindlich und kostenlos ist, ist die Versuchung groß, einen breiten Verteiler anzusprechen. Für den Provider stellt sich daher die Frage, wie er die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Anfrage einschätzen soll. Im Zweifel bedient er alle, was beim Auftraggeber zu einer größeren Auswahl und beim Provider zu einer niedrigen „hit-rate“ führt.

Er muss außerdem darauf vertrauen, dass der Anfrage ein tatsächlicher Bedarf zugrunde liegt. Als Provider beschleicht einen hin und wieder das Gefühl, dass die Anfrage des Kunden lediglich ein Versuchsballon war, mit dem geprüft werden sollte, ob die internen Kandidaten einem Vergleich mit externen Kandidaten standhalten.

Bei der Zusammenstellung seiner Kandidatenprofile versuchen erfahrene Provider Doppel-Kandidaturen zu vermeiden. Da Interim-Manager bei mehreren Providern gleichzeitig gelistet sind, ist diese Möglichkeit nicht immer auszuschließen. Aus diesem Grund gibt es die freiwillige Selbstverpflichtung von Interim-Managern, nur mit dem Provider zusammenzuarbeiten, der als erster die Anfrage an ihn weitergeleitet hat. Seriöse Interim-Manager, denen an einer langfristigen Zusammenarbeit gelegen ist, halten sich daran.

4.      Fazit

Trotz aller Vorsicht ist ein gerütteltes Maß an Vertrauen notwendig, ehe im Interim-Management ein Vertrag zustande kommt. Die Regelwerke der Provider zeugen von einem großen Erfahrungsschatz im Umgang mit Auftraggebern und Interim-Managern gleichermaßen. Gelegentlich aber hilft Professionalität über den einen oder anderen Zweifel  hinweg.

Das könnte Sie auch Interessieren