Vertraulichkeit im Interim Management

Von RA Ulrich Herfurth

Das Kapital eines Unternehmens steckt oft in den Köpfen der Menschen, die dort arbeiten oder es führen. Es ist das Wissen um Technologie, Verfahren, Märkte und Kunden, das den Wettbewerbsvorsprung schafft und dem Unternehmen Überleben und Zukunft sichert. Aus diesem Grund legen die Unternehmen höchsten Wert darauf, dass dieses Wissen nicht durch Mitarbeiter oder gar Geschäftsführer zu Wettbewerbern nach aussen getragen wird.

Je höher die Position des Managers oder je dichter er an kritischen Informationen oder Prozessen arbeitet, desto größer wird das Risiko eingeschätzt. Einen Schutz vor unerlaubter Preisgabe von Informationen kann das Unternehmen durch faktische Geheimhaltungsmechanismen oder durch juristische Geheimhaltungsverpflichtungen aufbauen.

Ein Interim-Manager ist regelmäßig an exponierter Stelle des Unternehmens eingesetzt – in der Führung, Leitung oder Überwachung. Ist er als Geschäftsführer formell bestellt, treffen ihn die gesetzlich bestimmten Pflichten für den Geschäftsführer: Die Sorgfaltspflicht in der Führung des Unternehmens, die Treue gegenüber der Gesellschaft und die Verschwiegenheit gegenüber Dritten. Dabei umfasst seine Verschwiegenheitsverpflichtung alle Angelegenheiten der Gesellschaft und ihres Unternehmens. Inhaltlich sind das die Tatsachen, die das Unternehmen betreffen, soweit sie nicht öffentlich bekannt gemacht oder informationspflichtig sind.

Die Verschwiegenheitsverpflichtung bedeutet dabei nicht nur, dass der Geschäftsführer die Informationen nicht an Dritte weitergeben darf, er darf sie auch nicht für eigene Zwecke außerhalb der Geschäftsführungstätigkeit nutzen. Diese Verschwiegenheitsverpflichtung dauert auch nach Beendigung der Dienststellung an, unter Umständen zeitlich befristet. Diese gesetzliche Verschwiegenheitspflicht sollten Unternehmen und Geschäftsführer möglichst noch in einer ausdrücklichen Regelung im Geschäftsführerdienstvertrag konkretisieren oder gar in einer gesonderten Verschwiegenheitsvereinbarung.

Wird ein Interim-Manager also als Geschäftsführer formell bestellt, trifft ihn die gesetzliche Verschwiegenheitsverpflichtung unmittelbar. Die Pflicht beginnt bereits mit der Bestellung durch Gesellschafterbeschluss und Mitteilung an den Geschäftsführer, nicht erst mit dessen Eintragung als Geschäftsführer im Handelsregister. Dabei kann sich die Verschwiegenheitsverpflichtung auch rückwirkend auf Informationen beziehen, die dem Geschäftsführer noch vor der Zeit der Bestellung, aber im Hinblick auf dessen künftige Tätigkeit offenbart worden sind.

Wird ein Interim-Manager nicht als Organ der Gesellschaft tätig, sondern lediglich als Manager mit oder ohne Vertretungsmacht, ergibt sich ein anderes Bild. Selbst der Prokurist, der faktisch dieselbe weitreichende Vertretungsmacht hat wie der Geschäftsführer, unterliegt nicht unmittelbar der gleichen Verschwiegenheitspflicht. Für andere leitende Angestellte ohne oder mit eingeschränkter Vertretungsmacht gilt dies umso mehr. Sofern ein Interim-Manager eine Aufsichtsfunktion bei einer Tochtergesellschaft ausübt, stellt sich die Frage, ob diese in eine formelle Amtsstellung eingebettet ist, etwa als Aufsichtsrat oder als Beirat mit Aufsichtsfunktion. Im Grundsatz trifft auch den Aufsichtsrat einer GmbH die gleiche Verschwiegenheitspflicht wie die eines Aufsichtsratsmitglieds in einer AG, sofern nichts anderes vereinbart wird.

Typischerweise wird ein Interim-Manager als formeller Geschäftsführer, faktischer Geschäftsführer oder unmittelbar auf zweiter Managementebene tätig. Die Besonderheit liegt darin, dass der Interim-Manager in einem Vertragsverhältnis zu der Interim-Management-Agentur steht, nicht in einem unmittelbaren Vertragsverhältnis zum auftraggebenden Unternehmen. Ob auch zugleich ein Auftragsverhältnis zwischen Unternehmen und Interim-Manager vorliegt, ist Sache des Einzelfalls. Tatsächlich dürfte sich in der Regel aus der faktischen Tätigkeit des Managers eine besondere Vertrauensstellung mit einer Treuepflicht ergeben. Daraus lässt sich vielfach auch eine Verschwiegenheitsverpflichtung ableiten.

Da aber Art und Umfang im Einzelfall nur schwer zu bestimmen wären, empfiehlt es sich, dass Unternehmen und Interim-Manager eine unmittelbare Vereinbarung zur Konkretisierung der Verschwiegenheitspflicht treffen. Solche Vereinbarungen heißen häufig: Vertraulichkeitserklärung, Verschwiegenheitsvereinbarung, Non-Disclosure-Agreement (NDA); sie können im Prinzip einseitig oder gegenseitig angelegt sein. Beim Einsatz eines Managers ist er regelmäßig derjenige, der aus der Vereinbarung verpflichtet wird.

Vertrauliche Informationen

Welche Informationen von der Vertraulichkeitserklärung geschützt sein sollen, hängt von den besonderen Umständen des Einzelfalles ab. Einem Anlagenbauer wird daran gelegen sein, dass er nicht nur die Funktionsweise bestimmter maschineller Abläufe geheim hält, sondern möglicherweise auch die Ergebnisse und Erfahrungen aus dem Einsatz spezifischer Metallgussprodukte. In so manchem Fall ist das Unternehmen selbst einer Vertraulichkeitsverpflichtung seiner eigenen Kunden unterworfen, in die es den Manager dann einbeziehen muss.

Kritisch ist auch Wissen zu Vertragsverhältnissen, etwa dem Auslaufen von Wartungsverträgen für Kunden, Leasingverträgen oder ähnlichem. Über diese unternehmensbezogene Information hinaus können auch andere Umstände der Vertraulichkeit unterliegen. So mag das Unternehmen ein Interesse daran haben, dass der Zweck des Einsatzes des Interim-Managers nicht bekannt wird; dies gilt insbesondere für empfindliche Rationalisierungs- oder Umstrukturierungsmaßnahmen. Auch kann von Bedeutung sein, dass der Manager nur zeitweilig eingesetzt ist, nicht dauerhaft.

Welche Art der Information im Einzelnen als vertraulich zu qualifizieren ist, hängt von der Situation ab. Unterlagen können nicht alleine nach einem Vermerk „Vertraulich“ klassifiziert werden, sondern vielmehr muss der Manager dieses selbst nach dem Inhalt bestimmen. Auf die Übermittlungsform oder die Form der Verkörperung der Information kommt es regelmäßig nicht an, auch nicht auf den Übermittlungsweg. Vertrauliche Informationen über das Unternehmen können selbst solche sein, die von Unternehmensfremden geliefert werden.

Dagegen handelt es sich nicht um vertrauliche Informationen, wenn die Inhalte zur Veröffentlichung oder Weitergabe bestimmt sind oder bereits öffentlich bekannt.

Die Geheimhaltungsverpflichtung

Die Pflicht zur Geheimhaltung von Informationen bedeutet zunächst, dass diese nur zur Durchführung der Aufgabe als Manager im Unternehmen genutzt werden dürfen. Für den Fall, dass Informationen weitergegeben werden müssen, verlangt eine Vertraulichkeitsvereinbarung in der Regel, dass diese Weitergaben dokumentiert und gegenüber dem Unternehmen offengelegt werden.

Von der Geheimhaltung ausgenommen sind üblicherweise Informationen, die bereits vor der Überlassung öffentlich zugänglich waren oder ohne Verschulden des Managers nach der Überlassung öffentlich geworden sind. Abgrenzungsschwierigkeiten stellen sich unter Umständen, wenn der Manager die Information durch gutgläubige Dritte erhalten hat. Er selbst muss beurteilen, ob die Vertraulichkeit weiterhin im Interesse des Unternehmens liegt.  In eine Konfliktlage kann der Manager auch kommen, wenn er aufgrund gesetzlicher Vorschriften oder behördlicher Anweisungen von Seiten des Unternehmens, etwa zur Offenlegung von Unterlagen im Rahmen einer Due Diligence des Unternehmens. Dabei werden regelmäßig der oder die Gesellschafter den Manager entsprechend anweisen. Komplikationen können sich aber ergeben, wenn nur einer der Gesellschafter seine Anteile verkaufen will und er direkt oder über den Manager diese an dritte Interessenten bereitstellt.

Um vertrauliche Informationen handelt es sich häufig auch bei vertieften Kenntnissen zu Funktion und Qualifikation von Schlüsselmitarbeitern. Die Beteiligten sollten regeln, dass der Interim-Manager keine Mitarbeiter für sich oder für spätere Auftraggeber für einen bestimmten Zeitraum abwerben darf.

Während die Geheimhaltungsvereinbarung als solches mit Beendigung des Auftrags des Interim-Managers endet, dauert aber die Verpflichtungswirkung daraus fort. Schließlich sollen ja gerade auch nach dem Ausscheiden des Interim-Managers sensible Informationen geheim bleiben. Die Dauer der nachvertraglichen Verschwiegenheitspflicht muss sich nach den Gegebenheiten bestimmen, im Einzelfall kann sie auf unbegrenzte Zeit angelegt sein.

Vertragsverletzungen

Gerät eine geheime Information des Unternehmens an die Öffentlichkeit, an Kunden oder Wettbewerber, stellt sich die Frage, inwieweit der Interim-Manager in die Weitergabe involviert war. Dabei muss das Unternehmen darlegen und beweisen, dass die Weitergabe durch den Manager erfolgte, der Manager muss beweisen, dass einer der Ausnahmetatbestände vorlag.

Zur Absicherung der Geheimhaltungspflicht greifen die Unternehmen regelmäßig zum Instrument der Vertragsstrafe. Ein Satz von 50.000 € für jede Verletzungshandlung kann eine angemessene Größe sein, wenngleich sie möglicherweise auch in keinem Verhältnis zum verursachten Schaden steht. Dieser kann dann einen zusätzlichen Schadenersatzanspruch begründen.

Wird der Interim-Manager im Ausland eingesetzt, sollten Unternehmen und Manager noch die besondere rechtliche Situation beachten. Die Durchsetzbarkeit einer Vertragsstrafe oder eines Unterlassungsanspruchs hängt davon ab, vor welchen Gerichten oder Schiedsgerichten der Anspruch geltend gemacht wird, wo er vollstreckt werden soll und welches Recht anzuwenden ist.

So stellt sich bei dem Einsatz eines deutschen Managers bei einer russischen Tochtergesellschaft die Frage, ob seine Tätigkeit in Russland russischem Recht unterliegt und damit auch die Geheimhaltungsverpflichtung. Wenn ausländische Arbeitnehmer eines russischen Unternehmens im Lande tätig sind, wenden russische Gerichte jedenfalls russisches Recht an.

Insgesamt ist allerdings im Auge zu behalten, dass ein Interim-Manager, der seine Treuepflicht und Verschwiegenheitspflicht gegenüber dem auftraggebenden Unternehmen verletzt, mehr riskiert als eine Vertragsstrafe: Nämlich seine Reputation und damit seine Chancen für künftige Aufträge um Einsätze im Markt.

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